Das Schulz von Thun Modell

 

Schulz von Thun Modell

 

Kommunikation ist nicht so einfach

Einfach gesagt, ist zwischenmenschliche Kommunikation, wenn du jemandem etwas mitteilen möchtest. Du sendest eine Nachricht aus und jemand anderes empfängt diese Nachricht. Dieser andere kann nun wieder dir eine Nachricht senden, und du empfängst sie. Hört sich doch ganz simpel an, oder?

Wenn es wirklich so leicht wäre, dann gäbe es keine Konflikte auf der Welt. Menschen würden nicht streiten und Regierungen würden keine Kriege führen.

  • Wo liegt denn eigentlich das Problem, wenn wir uns nicht verstehen?
  • Warum versteht mein Partner nicht, was ich sage?
  • Oder besser noch: Warum versteht mein Partner nicht, was ich sagen will?
  • Warum kapiert er nicht, dass ich verletzt bin?
  • Und Warum sagt er mir nicht, dass er mich liebt?
  • Oder Warum spricht mein Partner nicht mit mir?

Es gibt tausend Sachen, die irgendwie bei der Kommunikation zwischen Paaren schieflaufen können.
Und da wir keine Antwort auf die Fragen haben, denken wir, es liegt an der fehlenden Liebe. Mein Partner liebt mich nicht.

Aber das ist so nicht richtig! Egal wohin du kommst, auf jedem Kontinent und in jedem Land, haben Menschen die gleichen Schwierigkeiten.

 

Schulz von Thun Modell

Es gibt einen Professor der Psychologie namens Friedemann Schulz von Thun. Dieser Mann hat in seinem Buch „Miteinander Reden“ diese ganze Thematik mal auseinander genommen.

Es ist nämlich so:
In der Kommunikation zwischen 2 Menschen gibt es einen Sender, dass ist der, der redet. Und einen Empfänger, der die Botschaft hört.
Das Problem ist, das sind 2 verschiedene Menschen. Der Sender, also ich jetzt, sage etwas. Ich teile dir damit allerdings nicht nur eine Nachricht mit, da sind noch einige andere Dinge, die in meinem Gesagten drinstecken.
Du dagegen, du hörst die Dinge, die ich gesagt habe, vielleicht ganz anders als ich es gemeint habe.
Wir alle kennen das, wenn plötzlich ein Missverständnis im Raum steht, und keiner weiß, was passiert ist.

 

Typischer Fall

Typischer Fall: Eine Frau steht vor dem Spiegel und sagt: „Oh Mann, ich bin total dick.“
Für den Mann gibt es eigentlich keine Chance, diese Landmine zu umgehen.
Normalerweise würde der Mann das als klassische Sachinformation verstehen.
„Aha, meine Frau denkt, sie sei zu dick. Mal schauen, gut: Was sagt denn der Bodymaßindex?“
Du kannst dir schon denken, wie das ausgeht, sobald er den Mund aufmacht! Vielleicht sagt er wirklich: „Ach, vielleicht ein bisschen. Aber das geht schon. Das Kleid kannst du trotzdem anziehen!“
Die meisten Männer machen das nur einmal falsch!
Natürlich war diese Nachricht der Frau „Ich bin zu dick“ keine Sachbotschaft. Eigentlich war es ein Appell: „Bitte sag mir, dass ich nicht zu dick bin, sondern extrem gutaussehend und schlank!“
Außerdem sagt die Frau etwas über sich selbst aus: Ich fühle mich nicht hübsch genug, ich brauche eine Ermutigung, eine Bestätigung.
Und schließlich sagt sie auch noch was über die Beziehung zu dem Mann aus: „Du bist mir wichtig, ich vertraue dir. Deswegen sage ich dir, wie unzufrieden ich bin und hoffe, du ermutigst mich.“

 

4 Möglichkeiten die Botschaft zu verstehen

Da dies offenbar noch nicht alles kompliziert genug ist, kommt nun noch der Empfänger hinzu: Also der Sender hat 4 Möglichkeiten, seine Botschaft zu senden und der Empfänger hat dann auch noch mal 4 Möglichkeiten, die Botschaft zu empfangen.

Stell dir Folgendes vor: Ein Mann sagt zu seiner Frau oder Freundin:
„Mensch, du siehst heute richtig toll aus!“
Und die Partnerin entgegnet: „Und ansonsten bin ich immer hässlich oder was?“
Der arme Mann kapiert jetzt überhaupt nicht, was er falsch gemacht hat.
Die Frau hat die Botschaft offenbar nicht als Kompliment, also reine Sachbotschaft verstanden, sondern mit dem sogenannten „Beziehungs-Ohr“. D.h. sie fragt sich, was will der Mann von mir? Bin ich ihm ansonsten nicht gutaussehend genug?
Vielleicht sieht sie aber auch eine Offenbarung seiner Selbst darin: „Aha, wahrscheinlich will er von mir heute Abend mehr als nur ein Rendez-Vous.

Wenn du also deinem Partner etwas sagst, z.B. „ich gehe jetzt nach Hause“, dann hat diese Nachricht 4 verschiedene Botschaften.

 

1. Den Sachinhalt: Also: Worüber informiere ich?

Das ist ja absolut einfach: Ich informiere dich, dass ich jetzt den Heimweg antrete.
Dummerweise ist das aber nicht alles. Zwischen mir und dir gibt es noch einige andere Informationen, und die können uns das Leben echt schwer machen.

 

2. Die Selbstoffenbarung: Was ich von mir selbst kundgebe

Also erst mal: Ich kann gehen und ich habe ein zuhause. Aber noch viel mehr: Vielleicht habe ich keine Lust mehr auf das gemeinsame Treffen. Vielleicht ist es spät und ich bin müde und muss ins Bett. Vielleicht habe ich noch Arbeit und die muss ich jetzt machen.
Ich gebe also einiges von mir kund. Bewusst oder unbewusst. Schließlich zeige ich ja auch was von mir selbst, wenn ich rede. Ich möchte zwar eine Info vermitteln, gebe aber auch immer ein Bild von mir selbst ab.
Wenn ich zu früh nach Hause gehe, könnte das zeigen, dass ich ein Spielverderber bin. Oder keinen Antrieb habe. Oder dass es Zuhause jemanden gibt, der über mein Ausgehen bestimmen darf. Oder, oder, oder.
Ich offenbare mich also selbst.
Wir hatten nun erstens die Sachbotschaft und nun die Selbstoffenbarung.
Okay, und nun kommen wir zum 3. Punkt: Nämlich die Beziehung, die wir untereinander haben.

 

3. Die Beziehung: Was ich von dir halte und wie wir zueinander stehen

Nun kommt dein Gegenüber mehr ins Spiel. Du wirst in deiner Nachricht „ich gehe jetzt nach Hause“ nämlich ganz viele Dinge sagen, die deinen Partner direkt betreffen:
Z.B. durch deinen Tonfall oder deine Mimik.
Du kannst „ich gehe jetzt nach Hause“ so sagen, dass ein tiefes Bedauern zum Vorschein kommt. Der Tonfall sagt dann deinem Empfänger: „Ich finde es total doof, aber ich muss jetzt leider, leider gehen. Eigentlich würde ich lieber bei dir bleiben.“
Du kannst es aber auch so sagen, dass dein Partner denkt: „Oh Mann, der will ja schneller weg als ich gucken kann. Habe ich irgendwas angestellt? Habe ich was falsch gemacht? Oder mag mich der andere vielleicht nicht mehr?“
So, wir hatten jetzt 1. Die Sachnachricht, dann die Selbstoffenbarung und nun die Beziehungsbotschaft.

 

4. nun schließlich der Appell: Wozu ich dich veranlassen möchte

Die meisten Dinge, die wir aussprechen, sollen etwas bewirken. Wenn du deinem Partner sagst: Ich liebe dich. Dann möchtest du schon gerne, dass dir dein Partner das Gleiche sagt, oder?
Und was ist der Appell, wenn du sagst „ich gehe jetzt nach Hause“? Willst du, dass dein Partner dich davon abhält? Oder soll er dich begleiten? Oder soll er dich in Ruhe lassen?
Viele Möglichkeiten!
Also, wir hatten 4 Botschaften in einer einzigen Aussage:
Die Sachnachricht selbst, dann die Selbstoffenbarung, dann die Beziehung und schließlich der Appell.

Du siehst also, ein ganz einfacher Satz hat immer viele Ebenen. Und jetzt wird es wirklich kompliziert. Denn dein Partner hat auch noch alle 4 Ebenen, wenn er deine Botschaft hört. D.h. er hat auch noch 4 verschiedene „Ohren“.

 

1. Das Sach-Ohr

Viele Leute empfangen eine Botschaft nur als Sach-Nachricht. Vor allem Männer und Akademiker.
Wenn beispielsweise eine Frau zum Beispiel sagt: „Ich hätte ja solche Lust auf ein Eis, aber nein, das kann ich mir nicht erlauben, zu viele Kalorien“, dann sollte der Mann wirklich nicht so reagieren, als wäre das eine Sachbotschaft. „Ja klar, Eis hat enorm viele Kalorien, ich würde das an deiner Stelle auch nicht essen, da musst du ewig trainieren, bis das wieder weg ist“.
Oh weh!
Die beiden reden völlig aneinander vorbei und schwupp haben wir eine Beziehungskrise. Tatsächlich geht es nicht um Kalorien, also die Sache! Daher sollte man aufpassen, wenn man mit dem Sach-Ohr hört.

 

2. Das Beziehungs-Ohr

Häufig hören wir die Botschaften mit dem Beziehungs-Ohr. D.h. egal was der Partner sagt, wir denken, er will uns etwas zu unserer Beziehung klarmachen.
Sagt z.B. der eine Partner: „Also Heiraten ist eigentlich nicht so meins!“
Dann hört der mit dem Beziehungs-Ohr: „Er will mich nicht heiraten, es liegt an mir, grundsätzlich würde er vielleicht schon heiraten, aber mich eben nicht!“

Oder, ein anderes Beispiel: „Mensch, du siehst heute richtig toll aus!“
Und der Partner entgegnet: „Und ansonsten bin ich immer hässlich oder was?“
Das ist das Beziehungs-Ohr.
Wir hatten als erstes das Sach-Ohr und nun das Beziehungs-Ohr.

 

3. Das Selbstoffenbarungs-Ohr

Wenn der Partner total müde und genervt nach Hause kommt und als erstes über die Unordnung schimpft, dann meint das vielleicht nicht: Hier ist es so schrecklich unordentlich. – Das wäre übrigens die Sachbotschaft.
Und wahrscheinlich will er auch nicht sagen, dass der Partner, der schon zu Hause ist, grundsätzlich ein schlechter Mensch ist – das wäre das Beziehungsohr.
Höchstwahrscheinlich will er sagen: „Mir geht es schlecht, ich bin k.o. und müde. Am besten lege ich mich kurz hin, dann bin ich in 10 min wieder fit und zu gebrauchen.“ Das ist dann eine Selbstoffenbarung, wenn wir es so hören, hören wir mit dem Selbstoffenbarungs-Ohr.

 

4. Das Appell-Ohr

Es gibt Menschen, die hören immer alles als Appell. Wenn der Partner beim Frühstück sagt: „Ist da noch Kaffee in der Kanne?“ dann springt der mit dem Appell-Ohr auf und sagt: „Ich mach sofort nochmal welchen!“ Der Mensch mit dem Appell-Ohr denkt immer an andere und kommt dabei selbst komplett zu kurz. Auch dem Partner gefällt das nicht unbedingt, er muss aufpassen, was er sagt, da ja alles als Appell gesehen wird.

Wie du siehst, ist das mit der Kommunikation nicht so leicht.
Aber spannend!!

Versuche dich selbst mal zu überprüfen: Bist du jemand, der immer alles als Sachbotschaft sieht und deswegen sich oft wie ein Elefant im Porzellanladen verhält?
Oder hörst du alles auf dem Beziehungs-Ohr. Ist, egal was der Partner sagt, immer die Gefahr, dass du dich verletzt oder kritisiert fühlst?
Schaust du immer hinter die Botschaft, die dein Partner sagt und fragst dich, was mit ihm los ist?
Oder versuchst du immer für alle anderen eine angenehme Umgebung zu schaffen und vergisst oft dich selbst?

 

„Wir sollten uns besser gar nicht unterhalten“

Manchmal könnte man meinen, wir sollten uns vielleicht besser gar nicht unterhalten. Aber das ist wirklich falsch. Letztlich ist alles eine Frage der Kommunikation.
Egal, wie es gerade bei dir und deinem Partner aussieht: Sprecht über alles.
Und bemüht euch, den anderen so zu verstehen, wie er es gemeint hat.

Ein gute Möglichkeit ist es, nachzufragen. „Habe ich dich jetzt richtig verstanden, du willst noch Kaffee?“
Das geht aber natürlich nicht immer. Allerdings lernt man mit der Zeit immer besser, die Botschaften des Partner richtig zu interpretieren. Aber Achtung: Missverständnisse wird es trotzdem immer geben!

Eine grundsätzliche Regel kann man sich merken: Wenn ein Partner sagt, er sei zu dick geworden, so ist das niemals eine Sachbotschaft! Er will gerne eine Ermutigung von dir.

 

Ermutigung:

Wie sieht es mit Ermutigung bei euch aus?
Ermutigst du deinen Partner? Und ermutigt er dich?
Gewöhne dir an, deinem Partner jeden Tag zu sagen, dass du ihn liebst. Und sage ihm auch, was du besonders an ihm magst. Hinterlasse manchmal eine Notiz, oder schicke eine Postkarte, schreibe mit Lippenstift auf den Badspiegel, was an deinem Partner für dich so besonders ist.

Und habt Geduld miteinander. Gerade in den ersten Wochen, Monaten und auch den ersten Jahren der Beziehung kann sich eure Kommunikation schnell wie 2 Schiffe in der Nacht verhalten: Ihr redet komplett aneinander vorbei. Naja, die meisten Menschen würden sagen, dass sich das nie ändert! Schaut euch in den Special Tipps mal die Gesprächsvorschläge an. Redet miteinander.

 

Streit schadet nicht

Und auch wenn ihr diskutiert oder auch mal streitet – das macht gar nichts. Es zeigt nur, dass ihr euch beide in eurer Partnerschaft sicher genug fühlt, auch eure eigenen Meinungen zu vertreten. Nur denkt daran: Nicht unfair werden, werdet nicht unverschämt und verletzt einander nicht. Werdet niemals körperlich aggressiv, niemals! Und lasst den anderen ausreden und … und versöhnt euch auf jeden Fall wieder, vergebt einander!

Ach ja: Noch was zum wahrscheinlich größten Missverständnis der Menschheit: Bitte denke nicht folgendes: „Wenn mich mein Partner wirklich liebt, dann weiß er auch, was ich gerade empfinde und wie es mir geht und was ich denke.“
NEIN!
Das weiß dein Partner nicht. Auch wenn er dich noch so sehr liebt, er hat keine Chance, in deinen Kopf zu schauen. Sage, was dir auf dem Herzen liegt. Sprich deine Gedanken und Gefühle aus. Niemand kann wissen, was im komplizierten Gehirn eines einzelnen vor sich geht: Niemand! Auch nicht dein Partner. Gib ihm die Chance, dich zu verstehen! Er möchte dich verstehen!

Kommunikation ist etwas ganz Wunderbares. Und nirgendwo macht Kommunikation mehr Spaß als in einer Partnerschaft. Aber es ist auch ein bisschen Arbeit. Doch es lohnt sich.
Viel Spaß dabei!

 

Hier die 5 Beziehungskiller